7. Mai 2017

- Ich hasse dich – Verlass mich nicht -

Ein Buchtitel, der mein Leben verändert hat.
Seid Jahren versuche ich heraus zu finden, was mit mir los ist. Angefangen von Stimmungsschwankungen bis hin zu selbstverletzendem Verhalten war so gut wie alles dabei. Aber ich konnte es nie so wirklich einordnen. Bis ich ca. 18 Jahre alt war. Aus einem banalen Grund hatte ich einen Termin bei einem Psychologen. Er fragte mich Dinge, die mit dem eigentlichen Sachverhalt nichts zu tun hatte. Das wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt aber nicht und so beantwortete ich alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen. Das dieser Tag mein Leben verändern würde, hätte ich nie im Leben gedacht.
Nach 50 Minuten Fragen beantworten und einem kurzen Fragebogen hatte er mich gefragt, ob ich wüsste was eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist. Ich fühlte mich erschlagen von diesem Wort und wusste nichts damit anzufangen. Mein erster Gedanke war nur gewesen: ,,Hält der Typ mich jetzt für ein psychisches Wrack und ich sollte am besten auf einer einsamen Insel wohnen wo ich niemanden auf die Nerven gehe oder was?“
Aber das er anscheinend mit dieser Frage den Nagel auf den Kopf getroffen hat, wollte ich nicht wahr haben. Ich verneinte die Frage und er erklärte mir kurz und knapp was diese Krankheit eigentlich bedeutete. Er erzählte und erzählte und stellte noch 1-2 Fragen die ihm so in den Kopf geschossen kam. Panik brach in mir aus und ich brach die Sitzung ab. Zu Hause angekommen machte ich den Laptop an und begann selbstständig zu recherchieren. Ich las viele verschiedene Berichte von Betroffenen, das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation, einfach alles. Heute habe ich das Gefühl als hätte ich alles was zu einer Borderline-Persönlichkeitsstörung im Internet steht gelesen zu haben. Die ersten Berichte und Klassifikationen waren wie ein Befreiungsschlag für mich. Ich wusste endlich was mit mir los war, es hat sich so angefühlt als hätte jemand sich 18 Jahre lang die Mühe gemacht, mein Leben aufzuschreiben und hätte jetzt die Kurzfassung veröffentlicht. So gut dieser Befreiungsschlag auch tat, wollte ich es trotzdem nicht wahr haben. Als ich gelesen hatte, das manche bis zu einem Jahr in einer psychiatrischen Anstalt waren, danach Medikamente bekamen um am normalen Alltagsleben wieder teilnehmen zu können bis hin zu einer Arbeitsunfähigkeit verunsicherte mich erneut. Ich machte den Laptop zu und das Thema war für mich beendet. In den nachfolgenden Jahren wurde mir immer mehr bewusst, das wirklich etwas nicht mit mir stimmen konnte. Ständig diese unkontrollierte Wut, auch wenn ich nie einen Menschen geschlagen habe, war es trotzdem belastend irgendwo zu sitzen, die Hände vor Wut zu einer Faust geballt zu haben und den rasenden Herzschlag im ganzen Körper zu spüren.
Zu diesem Zeitpunkt, also mit 18 Jahren, hatte ich schon seid fast 2 Jahren eine Beziehung mit einer Frau. Ich war mir dessen sicher, das ich mich in einer homosexuellen Beziehung wohl fühle, aber trotzdem hat etwas einfach nicht gestimmt. Ich war immer hin und her gerissen. Auf der einen Seite, war diese Frau alles was ich wollte, aber auf der anderen Seite konnte ich einfach nicht mit ihr. Jedes treffen anfangs war wunderschön, als es aber darauf hinaus lief, das ich sie abends nach Hause bringen muss, fühlte es sich jedes Mal so an als würde sie sich von mir trennen. Und auch als wir nach 2 Jahren Beziehung beschlossen haben, zusammen zu ziehen, brachte es mich fast um den Verstand. Ich konnte einfach nicht mit ihr, aber auch nicht ohne sie. Und obwohl sie mich körperlich und seelisch so misshandelt hat, hätte ich ihr trotzdem immer wieder alles verziehen. So liefen dann auch meine restlichen Beziehungen und Freundschaften ab. Auf der einen Seite möchte ich sie alle nicht verlieren, aber auf der anderen Seite kann ich auch einfach ihre Nähe und Liebe die sie mir entgegen bringen nicht ertragen. In diesen Momenten möchte ich einfach nur noch fliehen.
Heute, 4 Jahre später hat sich eigentlich nichts verändert. Wie gesagt, eigentlich. Es ist alles so geblieben, nur das es viel schlimmer geworden ist. Seid dem ich damals alles gelesen hatte im Internet, wie diese Störung zustande kommt, habe ich viel über mich und mein Leben nachgedacht. In dieser Zeit wurde mir bewusst, was alles in meinem Leben passiert ist. Die Schläge die ich von meinem Vater einstecken musste, immer nur die zweite Wahl für meine Mutter zu sein...
Wenn ich heute neue Leute kennen lerne und die mich fragen, wie ich mich beschreiben würde, weiß ich keine Antwort drauf. Andere würden sagen, ich habe die und die Eigenschaften, das und das sind meine Hobbies usw. Aber bei mir? Ich wüsste es nicht. Wenn ich morgens aufstehe, braucht es erst mal eine Ewigkeit bis ich aus dem Bett hoch komme nach dem ich die halbe Nacht wieder wach war. Dann kann ich mich endlich dazu durchringen aufzustehen, gehe ins Bad und schau in den Spiegel. Klar, wie jeder andere auch sehe ich in dem Spiegel jemanden. Aber das bin nicht ich. Genau so wenig kann ich auch mein Gesicht nicht beschreiben. Welche Augen-, Nasen-, und Mundform ich habe. Ich kann es einfach nicht und das verstehe ich einfach nicht. Es muss doch wenigstens ein paar Anhaltspunkte geben, mit denen ich arbeiten kann. Wenigstens zwei Punkte um eine Linie zu bilden, die mich wenigstens im Ansatz beschreibt.
Aber das war schon immer so gewesen. Ich wusste nie so wirklich, was mir gefällt. Als ich klein war, habe ich zum Beispiel Die Band „Wir sind Helden“ gerne gehört, warum? Weil mein Bruder sie gerne gehört hat. Dann kam meine erste Beziehung. Sie mochte Fußball, Rise Against, zeichnen und WOW zocken. Gut, Fußball mochte ich vorher auch schon, aber die Band, zeichnen & zocken wurden auch erst dann zu meinen Hobbies. Die Beziehung zerbrach, Rise Against, Fußball, zeichnen und WOW sind geblieben. Meine zweite Beziehung mochte Fußball eher weniger, zockte auch WOW & hatte sonst keine Hobbies. Also blieben wir zu Hause, zockten meistens WOW und Fußball fiel erst mal flach. Und alle guten Dinge sind drei. Meine dritte Beziehung war genau das gleiche gewesen. Sie mochte Metalcore, VFL Wolfsburg, allgemein Fußball spielen und zockt FIFA. Und 3 mal darf man jetzt raten, wessen Playlist jetzt zu 80% aus Metalcore besteht, die Hälfte des Kleiderschrankes aus Wolfsburg- & Bandklamotten besteht und auf dem Handy jetzt Fifa zockt? Obwohl ich mit 16 schon mal eine Phase von Metalcore hatte, weil die gute Freundin auch Metalcore gehört hatte, aber auch das hielt nur so lange wie die Freundschaft da war und kam erst wieder mit der dritten Beziehung.
Es ist nicht nur in Beziehungen so gewesen. Zum Beispiel habe ich angefangen Gitarre zu spielen, weil eine gute Freundin von mir gespielt hat. Eine andere Freundin mochte die Band K.I.Z. Und prompt befanden sich ein paar Alben K.I.Z auf meinem Computer. Sehr Mysteriös!
Es ist nicht so, das ich den VFL nicht mag, nicht auch gerne zocke oder Metalcore höre, aber das bin nicht ich. Das war ich nie und jetzt stellt sich mir die Frage, wer bin ich? Was macht mich aus? Oder bin ich nur wie dieses Labyrinth Spiel das sich immer so schiebt wie es sich gerade braucht um den anderen zu gefallen? Vielleicht habe ich mich auch nur so hin geschoben, um nicht alleine zu sein. Das mich dann jemand mag und bei mir bleibt. Aber die wenigsten können ihr ganzes Leben lang eine Lüge leben, ohne aufzufliegen. Außerdem möchte ich niemanden anlügen, damit er bei mir bleibt, denn das hat niemand verdient.
Am Besten wäre es wohl, einfach zu sagen „Ich bin ein niemand. Mir gefällt alles was dir gefällt, ich hasse alles was du hasst. Und bevor du fragst, ich möchte heute das zum Abendbrot essen was du gerne möchtest.“
Eines ist mir bewusst geworden, als ich in das Buch rein gelesen habe, welches ich als Titel oben gewählt habe. Ich weiß nicht wer ich bin – und ich weiß nicht was ich mache. Alles was ich weiß ist, das ich es so langsam heraus finden muss.
Aber genau da besteht das nächste Problem. Nach dieser ganzen Zeit, diesem inneren zerissen sein, habe ich gedacht das ich jetzt endlich weiß was mit mir nicht stimmt. Bis zu dem Zeitpunkt das mein Therapeut gesagt - „Nein!“...


- Fuck this Shit! -