Ein Buchtitel, der mein Leben verändert
hat.
Seid Jahren versuche ich heraus zu
finden, was mit mir los ist. Angefangen von Stimmungsschwankungen bis
hin zu selbstverletzendem Verhalten war so gut wie alles dabei. Aber
ich konnte es nie so wirklich einordnen. Bis ich ca. 18 Jahre alt
war. Aus einem banalen Grund hatte ich einen Termin bei einem
Psychologen. Er fragte mich Dinge, die mit dem eigentlichen
Sachverhalt nichts zu tun hatte. Das wusste ich bis zu diesem
Zeitpunkt aber nicht und so beantwortete ich alle Fragen nach bestem
Wissen und Gewissen. Das dieser Tag mein Leben verändern würde,
hätte ich nie im Leben gedacht.
Nach 50 Minuten Fragen beantworten und
einem kurzen Fragebogen hatte er mich gefragt, ob ich wüsste was
eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist. Ich fühlte mich
erschlagen von diesem Wort und wusste nichts damit anzufangen. Mein
erster Gedanke war nur gewesen: ,,Hält der Typ mich jetzt für ein
psychisches Wrack und ich sollte am besten auf einer einsamen Insel
wohnen wo ich niemanden auf die Nerven gehe oder was?“
Aber das er anscheinend mit dieser
Frage den Nagel auf den Kopf getroffen hat, wollte ich nicht wahr
haben. Ich verneinte die Frage und er erklärte mir kurz und knapp
was diese Krankheit eigentlich bedeutete. Er erzählte und erzählte
und stellte noch 1-2 Fragen die ihm so in den Kopf geschossen kam.
Panik brach in mir aus und ich brach die Sitzung ab. Zu Hause
angekommen machte ich den Laptop an und begann selbstständig zu
recherchieren. Ich las viele verschiedene Berichte von Betroffenen,
das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation, einfach
alles. Heute habe ich das Gefühl als hätte ich alles was zu einer
Borderline-Persönlichkeitsstörung im Internet steht gelesen zu
haben. Die ersten Berichte und Klassifikationen waren wie ein
Befreiungsschlag für mich. Ich wusste endlich was mit mir los war,
es hat sich so angefühlt als hätte jemand sich 18 Jahre lang die
Mühe gemacht, mein Leben aufzuschreiben und hätte jetzt die
Kurzfassung veröffentlicht. So gut dieser Befreiungsschlag auch tat,
wollte ich es trotzdem nicht wahr haben. Als ich gelesen hatte, das
manche bis zu einem Jahr in einer psychiatrischen Anstalt waren,
danach Medikamente bekamen um am normalen Alltagsleben wieder
teilnehmen zu können bis hin zu einer Arbeitsunfähigkeit
verunsicherte mich erneut. Ich machte den Laptop zu und das Thema war
für mich beendet. In den nachfolgenden Jahren wurde mir immer mehr
bewusst, das wirklich etwas nicht mit mir stimmen konnte. Ständig
diese unkontrollierte Wut, auch wenn ich nie einen Menschen
geschlagen habe, war es trotzdem belastend irgendwo zu sitzen, die
Hände vor Wut zu einer Faust geballt zu haben und den rasenden
Herzschlag im ganzen Körper zu spüren.
Zu diesem Zeitpunkt, also mit 18
Jahren, hatte ich schon seid fast 2 Jahren eine Beziehung mit einer
Frau. Ich war mir dessen sicher, das ich mich in einer homosexuellen
Beziehung wohl fühle, aber trotzdem hat etwas einfach nicht
gestimmt. Ich war immer hin und her gerissen. Auf der einen Seite,
war diese Frau alles was ich wollte, aber auf der anderen Seite
konnte ich einfach nicht mit ihr. Jedes treffen anfangs war
wunderschön, als es aber darauf hinaus lief, das ich sie abends nach
Hause bringen muss, fühlte es sich jedes Mal so an als würde sie
sich von mir trennen. Und auch als wir nach 2 Jahren Beziehung
beschlossen haben, zusammen zu ziehen, brachte es mich fast um den
Verstand. Ich konnte einfach nicht mit ihr, aber auch nicht ohne sie.
Und obwohl sie mich körperlich und seelisch so misshandelt hat,
hätte ich ihr trotzdem immer wieder alles verziehen. So liefen dann
auch meine restlichen Beziehungen und Freundschaften ab. Auf der
einen Seite möchte ich sie alle nicht verlieren, aber auf der
anderen Seite kann ich auch einfach ihre Nähe und Liebe die sie mir
entgegen bringen nicht ertragen. In diesen Momenten möchte ich
einfach nur noch fliehen.
Heute, 4 Jahre später hat sich
eigentlich nichts verändert. Wie gesagt, eigentlich. Es ist alles so
geblieben, nur das es viel schlimmer geworden ist. Seid dem ich
damals alles gelesen hatte im Internet, wie diese Störung zustande
kommt, habe ich viel über mich und mein Leben nachgedacht. In dieser
Zeit wurde mir bewusst, was alles in meinem Leben passiert ist. Die
Schläge die ich von meinem Vater einstecken musste, immer nur die
zweite Wahl für meine Mutter zu sein...
Wenn ich heute neue Leute kennen lerne
und die mich fragen, wie ich mich beschreiben würde, weiß ich keine
Antwort drauf. Andere würden sagen, ich habe die und die
Eigenschaften, das und das sind meine Hobbies usw. Aber bei mir? Ich
wüsste es nicht. Wenn ich morgens aufstehe, braucht es erst mal eine
Ewigkeit bis ich aus dem Bett hoch komme nach dem ich die halbe Nacht
wieder wach war. Dann kann ich mich endlich dazu durchringen
aufzustehen, gehe ins Bad und schau in den Spiegel. Klar, wie jeder
andere auch sehe ich in dem Spiegel jemanden. Aber das bin nicht ich.
Genau so wenig kann ich auch mein Gesicht nicht beschreiben. Welche
Augen-, Nasen-, und Mundform ich habe. Ich kann es einfach nicht und
das verstehe ich einfach nicht. Es muss doch wenigstens ein paar
Anhaltspunkte geben, mit denen ich arbeiten kann. Wenigstens zwei
Punkte um eine Linie zu bilden, die mich wenigstens im Ansatz
beschreibt.
Aber das war schon immer so gewesen.
Ich wusste nie so wirklich, was mir gefällt. Als ich klein war, habe
ich zum Beispiel Die Band „Wir sind Helden“ gerne gehört, warum?
Weil mein Bruder sie gerne gehört hat. Dann kam meine erste
Beziehung. Sie mochte Fußball, Rise Against, zeichnen und WOW
zocken. Gut, Fußball mochte ich vorher auch schon, aber die Band,
zeichnen & zocken wurden auch erst dann zu meinen Hobbies. Die
Beziehung zerbrach, Rise Against, Fußball, zeichnen und WOW sind
geblieben. Meine zweite Beziehung mochte Fußball eher weniger,
zockte auch WOW & hatte sonst keine Hobbies. Also blieben wir zu
Hause, zockten meistens WOW und Fußball fiel erst mal flach. Und
alle guten Dinge sind drei. Meine dritte Beziehung war genau das
gleiche gewesen. Sie mochte Metalcore, VFL Wolfsburg, allgemein
Fußball spielen und zockt FIFA. Und 3 mal darf man jetzt raten,
wessen Playlist jetzt zu 80% aus Metalcore besteht, die Hälfte des
Kleiderschrankes aus Wolfsburg- & Bandklamotten besteht und auf
dem Handy jetzt Fifa zockt? Obwohl ich mit 16 schon mal eine Phase
von Metalcore hatte, weil die gute Freundin auch Metalcore gehört
hatte, aber auch das hielt nur so lange wie die Freundschaft da war
und kam erst wieder mit der dritten Beziehung.
Es ist nicht nur in Beziehungen so
gewesen. Zum Beispiel habe ich angefangen Gitarre zu spielen, weil
eine gute Freundin von mir gespielt hat. Eine andere Freundin mochte
die Band K.I.Z. Und prompt befanden sich ein paar Alben K.I.Z auf
meinem Computer. Sehr Mysteriös!
Es ist nicht so, das ich den VFL nicht
mag, nicht auch gerne zocke oder Metalcore höre, aber das bin nicht
ich. Das war ich nie und jetzt stellt sich mir die Frage, wer bin
ich? Was macht mich aus? Oder bin ich nur wie dieses Labyrinth Spiel
das sich immer so schiebt wie es sich gerade braucht um den anderen
zu gefallen? Vielleicht habe ich mich auch nur so hin geschoben, um
nicht alleine zu sein. Das mich dann jemand mag und bei mir bleibt.
Aber die wenigsten können ihr ganzes Leben lang eine Lüge leben,
ohne aufzufliegen. Außerdem möchte ich niemanden anlügen, damit er
bei mir bleibt, denn das hat niemand verdient.
Am Besten wäre es wohl, einfach zu
sagen „Ich bin ein niemand. Mir gefällt alles was dir gefällt,
ich hasse alles was du hasst. Und bevor du fragst, ich möchte heute
das zum Abendbrot essen was du gerne möchtest.“
Eines ist mir bewusst geworden, als ich
in das Buch rein gelesen habe, welches ich als Titel oben gewählt
habe. Ich weiß nicht wer ich bin – und ich weiß nicht was ich
mache. Alles was ich weiß ist, das ich es so langsam heraus finden
muss.
Aber genau da besteht das nächste
Problem. Nach dieser ganzen Zeit, diesem inneren zerissen sein, habe
ich gedacht das ich jetzt endlich weiß was mit mir nicht stimmt. Bis
zu dem Zeitpunkt das mein Therapeut gesagt - „Nein!“...
- Fuck this Shit! -